Wir stricken unser Leben

Manche wählen ein kompliziertes Muster, andere ein schlichtes. Es ist ein buntes Maschenwerk oder ein Stück in beruhigenden Farben.

Die einen stricken liebevoll und sorgsam, andere mühevoll und ungern. Und so manchmal schmeißt einer das Strickzeug in die Ecke.

Und öfter lässt du eine Masche fallen, oder sie fällt ohne dein Zutun. Du hast die Nadeln in der Hand! Du kannst das Muster wechseln, die Technik oder das Werkzeug.

Das Stricken öffnet eine Geheimtür, sodass alles frei fließen kann. Gedanken, Emotionen, einfach alles. Carla Hannaford, eine Kinesiologin, die über Dominanzprofile des Gehirns schreibt, berichtet in ihrem Buch „Mit Augen und Ohr mit Hand und Fuß“ über eine Studentin, die in ihren Anatomie- und Physiologiekursen dauernd strickte. Sie machte kaum Notizen und sah sie selten an. Sie hatte am Ende des Semesters neun Pullover gestrickt und die besten Noten. Sie lernte auditiv (über das Hören) und da sie beim Stricken beide Hände bewegte, hatte sie Zugang zu beiden Hemisphären des Gehirns und blieb so konzentriert. Carla führt in ihrem Buch sogar

Stricken ausdrücklich als Stärkung des Gehirns an.

In der Schule in der Oberstufe durften wir in manchen Gegenständen stricken, denn dadurch waren 2/3 der Schülerinnen konzentrierter, ruhiger, entspannter und konnten ihrem Bewegungsdrang auf angenehme Weise nachgehen.

Die Wolle und das Stricken an sich sind sowohl kreativ wie auch eine sinnliche Tätigkeit. Stricken hat viel mit Fühlen zu tun, es ist wichtig, wie Wolle sich anfühlt, der Rhythmus des Musters und wie angenehm die Farbe ist. Ich kaufe keine Wolle, ohne den Griff der Wolle zu spüren. Auch spüre ich gerne die Wolle in meinen Händen und das beruhigende Gefühl, wenn ich die Maschen von der Nadel ab stricke.

Ich wähle für meine Kleidungsstücke meine Lieblingsfarben aus. Schwarze oder dunkle Farben gehören nicht dazu, denn abends strengt das meine Augen zu sehr an.

Bei jedem neuen Projekt wähle ich bewusst ein Muster aus, das entweder leicht sein oder mich fordern soll. Stricke ich, um zu entspannen, dann brauche ich ein einfaches Abstricken der Maschen, also ein wiederholendes Maschenbild. Wenn ich meinen Kopf frei bekommen möchte, wähle ich ein Muster, bei dem ich mich konzentrieren muss und das mich fordert, zum Beispiel ein Zopfmuster, da muss ich immer mitdenken. Meist arbeite ich an 2 Werkstücken gleichzeitig, je nach Bedarf.

Es gibt Nadeln aus verschiedenen Materialien – Holz, Kunststoff oder Metall. Ich bevorzuge Rundstricknadeln, da das gestrickte Werkstück entspannt auf meinem Schoss liegt und die Nadelenden nicht links oder rechts anstreifen können.

Ich mache immer eine Strickprobe, denn ich finde es zu mühsam, dann die Breite meines Werkstückes aufzutrennen oder erst das Muster auszuprobieren.

Täglich finde ich einen Grund, warum ich stricken möchte:

  • Zur Beruhigung und Entspannung.
  • Ich schalte die Gedanken des Tages ab.
  • Zur Ablenkung meines Verstandes.
  • Aus Vorfreude auf das fertige, einzigartige Stück.
  • Und aus Vorfreude auf das Tragen meines Werkstücks.
  • Ich bringe etwas zu Ende.
  • Ich stricke Gedanken und Gefühle mit in mein Kleidungstück.
  • Ich freue mich auch daran, wenn andere meine Strickteile tragen, ob Schals, Ponchos oder Pullover.

Wie verbringst du Zeit mir dir?

Was tust du von Herzen gern?

 

Buchempfehlung:

Zwei rechts. Zwei Links Geschichten vom Stricken, Ebba D. Drolshagen

Mit Augen und Ohr mit Hand und Fuß, Carla Hannaford

In meinem nächsten Blogbeitrag, immer am Dienstag,  geht es mit diesem Thema weiter (geschichtliche Entwicklung des Strickens)

Deine Kerstin Rauchlechner